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Ostanatolische Knüpfgebiete
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Erzurum (Google Maps): Im Nordosten der Türkei befindet sich die Stadt Erzurum, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Die Stadt beherbergt 375 000 Einwohner. Die Provinz Erzurum ist flächenmäßig eines der größten Provinzen. Die Bevölkerungzahl ist jedoch eine der geringsten. Erzurum hat eine bewegte Geschichte. Der arabische Weltreisende Ibn Batuta gab der stadt 1333 den Namen Arz-er-Rum, d. h. Stadt der Oströmer. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war die Stadt größtenteils von Armeniern bewohnt. Seit dem 1. Weltkrieg leben hier vor allem Kurden und Türken. Die Armenier stellten bis 1915 Teppiche, aber vor allem sehr reizvolle Kelims her. Sehr häufig findet man Gebets-Kelims, die jedoch ebenso als „Lebensbaum“-Motive gedeutet werden könnten. Sehr markant ist meist eine gold-ocker-braune Farbgebung zumeist in der Bordüre, manchmal aber auch im Gebetsfeld. Weitere dominante Farben sind das Krapprot oder ein schönes Grün.
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Kagizman (Google Maps): Unweit der Türkisch-Armenischen Grenze, südlich der Stadt Kars liegt der Ort Kagizman. 2008 lebten hier 18.250 Einwohner, vor allem kurdische Yürüken und Türken. Die alten Kelims zeigen eine Ähnlichkeit zu den Kelims aus Erzurum, wobei jedoch unklar ist, wer damals diese Kelims hergestellt hat. Auch hier herrschen vor allem geometrische Muster vor, die zumeist einen Gebetsgiebel haben. Neue Produkte sind praktisch nicht mehr vorhanden und wenn von geringer Qualität. Reizvoll und bei Sammlern sehr beliebt sind die Teppiche und Kelims vor dem 1. Weltkrieg.
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Kars (Google Maps): Die Provinzhauptstadt Kars mit ihren 75000 Einwohnern ist auch gleichzeitig die nord-östlichste Garnisonstadt der Türkei. Die Stadt liegt lediglich 45 km von der Türkisch Armenischen Grenze entfernt und auch zur Türkisch-Georgischen Grenze sind es nur 65 km. Die Stadt hat eine wechselvolle Geschichte. Im 10. Jahrhundert war Kars Residenzstadt der armenischen Bagratidenkönige bis sie im 11. Jahrhundert von den Seldschuken eingenommen wurde. In der Neuzeit wurde dann die Stadt immer wieder Schauplatz von Kriegen zwischen Osmanen und Perser bzw. Osmanen und Russen. Während des Krimkrieges ging die Stadt nach einer monatelangen Belagerung an die Russen, wobei die Osmanen die Stadt bald zurückeroberten. Im Russisch/Türkischen Krieg ging Kars dann an die Russen (Friede von San Stefano), um dann im 1. Weltkrieg endgültig an die Türken zugesprochen zu werden. Jeweils nach dem Machtwechsel kam es zu Bevölkerungsbewegungen, wobei die Türken im Falle einer Eroberung durch die Russen die Stadt verliesen. So lebten 1892 in der Stadt 7 % Griechen, 13,5 % Kurden, 21,5 % Armenier, 24 % Türken und sonstige kaukasische Völker wie Tscherkessen und Turkmenen 19 %. Nach dem 1. Weltkrieg war Kars Teil der Armenischen Republik bis sie 1923 an die Türkei zugesprochen wurde. Die Sehenswürdigkeiten ist einerseits die Reste der armenischen Apostelkirche (Abbildung 1) von Kars und die Festung (Abbildung 2) von Kars.
Die Teppiche stehen unter starkem Einfluss der kaukasischen Teppiche, vornehmlich der Kazaks. Die Teppiche, die heute hergestellt werden, dienen zumeist für die touristischen Zentren in West und Südwest-Anatolien. Obwohl bis in die 60iger und 70iger Jahre des 20. Jahrhunderts die Teppichproduktion streng nach kaukasichen Vorbildern hergestellt wurden, erreichten diese niemals die Qualität der echten kaukasischen Originale. Die Fransen sind sehr oft Wolle mit Ziegenhaar verstärkt, was eines von mehreren Merkmalen, die einen Kars von einem Kazak unterschieden. Ebenso ist die Wolle bei weitem nicht jene, die seinerzeit in den kaukasichen Teppichen verwendet wurde.
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Kurdenteppiche: Die Kurden, ein iransprachiges Volk, das im Grenzgebiet von Türkei, Iran, Irak und Syrien lebt, stellt derzeit 15–20 % der gesamten türkischen Bevölkerung dar (10 – 15 Mio Kurden in der Türkei). Seit dem 19. Jahrhundert gibt es zahlreiche Auseinandersetzungen und im Gegensatz zu den Griechen oder Armenier werden die Kurden nicht als Minorität anerkannt, sondern als „Berg-türken bezeichnet. Nachdem die Türken unter Mustafa Kemal, dem späteren Atatürk, die Gebiete wieder zurückeroberten und Atatürk danach einen von Säkularismus und Lazaismus geprägten homogenen Staat anstrebten, war für die eigenständigen Wünsche der Kurden kein Platz mehr.
Seither exisitiert eine massive Assimilierungpolitik der Türken gegenüber allen Minoritäten. Nachdem die Griechen und Armenier als Minorität keine bedeutende Zahl mehr darstellen, treffen die Repressalien vor allem die Kurden. Ihnen ist es bis in die 90iger Jahre verboten gewesen, ihre Sprache offiziell zu verwenden. Seither gibt es immer wieder Auseinandersetzungen und kriege-rische Handlungen, die letztendlich zum Verbot der PKK (der kurdischen Arbeiterpartei) geführt hat. Die Kurden werden seit dem 19. Jahrhundert dazu gedrängt in Ostanatolien zu siedeln.
Ebenso wie es schwierig ist die einzelnen Kurdenstämme einheitlich zu beschreiben, ist es ähnlich schwierig eine einheitliche Klassifikation der Teppiche der Kurden durchzuführen. Die Bandbreite variiert in der Knüpfdichte (Alte Sennehs als eine der feinsten Teppiche und ganz grobe und zottige Qualitäten).
Üblicherweise hat der Teppich eine rustikale Stimmung. Die Musterdarstellung ist meist in geo-metrisch-stilisierten Motiven, die meist archaisiche Muster darstellen die Kurdenteppiche kommen derzeit vor allem im östlichsten Teil der Türkei vor.
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Sivas (Google Maps): Sivas ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und liegt etwa 450 km östlich von Ankara. Die Einwohnerzahl bewegt sich derzeit um die 290 000 Einwohner herum. Diese sind zu 80 % Türken sunnitischen Glaubens, 18 % der Bevölkerung sind Kurden (meist Aleviten) die restlichen 2 % sind Juden und Christen. Vor dem 1. Weltkrieg hatte Sivas etwa 45 000 Einwohner, wovon mehr als 30 % Armenier waren, außerdem lebten viele Griechen hier.
Die Erstbesiedelung der Stadt reicht bis 7000 – 5000 v. Chr. Etwa 1500 v. Chr. bis 800 v. Chr. herrschten hier die Hethiter. Danach wechselten sich Phyrger und Lyder ab. Ab etwa 500 v. Chr. herrschten die Perser, die erst durch die Eroberung Anatoliens durch Alexander d. Großen bezwungen wurden. Danach wurde Sivas Teil des römischen Weltreiches und war bis 395 Hauptstadt der römischen Provinz Armenia Minor. Danach herrschte Byzanz bis 1075 in Sivas. Nach 1175 eroberten die Seldschuken die Stadt und ließen 1197 die große Moschee Ulu Cami (große Moschee) erbauen. Nach den Mongoleneinfällen die die Stadt jeweils zerstörten eroberten die Osmanen um 1400 die Stadt. Die Osmanen regierten über die Stadt bis zum 1. Weltkrieg.
Am 5. Juli 1915 begann die Deportation der Armenier, die in Sivas lebten. Seit 1923 ist Sivas Teil der türkischen Republik. 1993 kam es zum Anschlag auf das Madimak Hotel, in dem sich zu der Zeit zahlreiche Aleviten und kurdische Künstler aufhielten. Seither wird der Opfer angedacht. Die Sehenswürdigkeiten sind die Blaue Moschee, die vom armenischen Architekten Kaloyan erbaut wurde, die große Moschee (Ulu Cami, Abbildung 3), sowie die Ruine der armenischen Kirche des heiligen Kreuzes.
Das Knüpfgebiet von Sivas umfasst die Ortschaften Zara, Kangal, Kavak, Sarkisla. In den Teppich-basaren von Sivas findet man Teppiche der Kurden, Yürüken und Teppiche der staatlichen Manufaktur aus Sivas angeboten. Etwa 70 km östlich liegt das Dorf Zara, wo ehemals eine große Armenische Kolonie lebte. Hier werden Streifenmuster Teppiche und Kelims hergestellt. Ansonsten gibt es sowohl Medallionmuster als auch Gebetsteppiche. Die Teppiche des Sivas-Knüpfgebietes, hier vor allem der alten und antiken Sivas, erkennt man zunächst an der ausgezeichneten Teppich-wolle, die zum Knüpfen des Flores verwendet wurde. Die lokale Schafzucht ist mit Wollsorten aus-gestattet, die jenen der kaukasischen Kasaks ähnlich sind und auch ähnliche Ausstrahlung und Glanz haben. Schuss und Kette sind bei Sivas-Teppichen ausschließlich aus Schafwolle. Die Knüpfung ist mittelfein (ca. 110 000 – 150 000 Knoten/m²).
Bei Medallion-Sivas ist eine 3-Teilung des Innenfeldes charakteristisch. In 3 verschieden-färbigen Rechtecken ist je ein Stufenpolygon als Medallion dargestellt. Hier werden dann Blütenranken als Fülldekor angewandt. Sehr oft finden wir in Sivas-Teppichen eine Nelken-Bordüre, die wie ein Symbol für die Teppiche aus dem Sivas Gebiet sind.
Die Teppiche aus Zara, auch Zara-Sivas genannt, wurden fast ausschließlich von den ehemals armenischen Bewohnern der Stadt geknüpft. Da die Produktion durch den Wegfall der Armenier sich auflöste, sind die Zara-Sivas einerseits einer der schönsten Produkte die in Anatolien geknüpft wurden, aber leider auch eine der rarsten und teuersten.
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Malatya (Google Maps): Malatya ist die Provinzhauptstadt der gleichnamigen Provinz im Südosten der Türkei . Die Stadt hat 411.100 Einwohner und ist bekannt für die zahlreichen Aprikosenplantagen. Das Gebiet ist sehr gebirgig und wird primär von Kurden bewohnt. Die Teppiche aus dem Malatya-Gebiet sind typische kurdische Erzeugnisse mit Schußfäden und Kettfäden aus Schafwolle. Die Knüpfung ist eher gröber. Die dominante Grundfarbe ist rot meist kombiniert mit einem beige-braunen Medallion. Die Musterung sind zwei oder mehrere Oktogon-Medallione. Malatya Teppiche werden sehr häufig als breitere Läufer produziert.
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Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3