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Knüpfgebiet an der Ägäis
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Bergama (Google Maps): Die neue Stadt Bergama lehnt sich bescheiden an den Burghügel des alten Pergamon (Abbildung 1, Abbildung 2, Abbildung 3). Die Burg und Akropolis gilt heute noch als eine der größten der Antike und das steil am Berghang aufsteigende Theater fasste bis zu 20000 Plätze, wo eine einzigartige Akustik herrschte. Die Stadt Pergamon wurde zunächst im 8. vorchristlichen Jahrhundert gegründet, war zunächst unter lydischer Herrschaft, wurde dann von den Persern erobert. Durch die militärischen Erfolge von Alexander d. Großen 334 war Pergamon ein Zentrum Hellenistischer Kultur. Während des Königreiches Pergamon, das von 241 v. Christus bis 133 v. Christus Bestand hatte galt Pergamon als eine der wichtigsten Städte der Antike. Pergamon verfügte nach Alexandria über die zweitgrößte Bibliothek der antiken Welt; sie soll 200 000 Buchrollen umfasst haben. Nach einer Legende wurde das Pergament in Pergamon erfunden, als die Ptolemäer, den Export von Papyrus einstellten, angeblich um die Bibliothek von Alexandria vor Konkurrenz zu schützen. Teils aus Konkurrenz, teils aus Not habe man ein neues Schreibmaterial für die Buchrollen erfunden: das Pergament aus feiner Kälberhaut. Das Königreich Pergamon galt bereits seit dem 2. Jahrhundert v. Christus als einer der Rom gegenüber loyalsten Staaten, so dass Attalos III, der 133 v. Chr. ohne Erben starb, Pergamon an die Römer vererbte. Aus dem Königreich Pergamon entstand so die römische Provinz Asia. Die unter Kaiser Hadrian errichtete, nahezu 200 m lange Brücke von Pergamon unter dem Vorplatz der Roten Halle, im Stadtzentrum von Bergama, gilt als die bei weitem größte Flussüberbauung der Antike.
Die Bewohner von Bergama, die vermutlich von kaukasischen Volksgruppen abstammen, knüpfen seit mehreren Jahrhunderten Teppiche mit stark kaukasischem Einfluß. Auf meist krapproter Grundfarbe wird entweder mit einem lindgrün, sehr oft aber mit Färberwau gefärbter Blaufarbton , die Muster in Kontrast gebracht. Oft werden die Kelimabschlüsse in den 2 Hauptfarben des Teppichs gewebt. Sehr reizvoll sind die in Bergama oftmals geknüpften Kiz-Bergamateppiche. Diese Teppiche sind als Brautteppiche hergestellt worden. In ländlichen Gebieten wird die Braut nach Festlegung des Bräutigams damit beschäftigt, dass sie ihre „ganze Liebe“ in die Herstellung des Brautteppichs, die sie ihrem Mann bei der Hochzeit überreicht.
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Kozak: In nur 20 km nördlicher Entfernung von Bergama befindet sich der Teppichknüpfort Kozak, der wie es bereits der Name, aber auch ganz besonders die Muster verraten, einen starken Impuls aus dem Kaukasus erhalten. Der Kozak kommt zumeist mit 3 – 4 Farben, die bis in die heutige Zeit noch mit Pflanzenfarben gefärbt werden (DOBAG-Organisation), aus. Einerseits ist es das Krapprot, dann Indigoblau, Nussschale (braun) und naturbelassene Wolle (dunkelbraun oder weiß) aus. Als Schuss- und Kettmaterial kommt bis heute handversponnene Wolle zum Einsatz und die Knüpfung ist grob und wird mit dem türkischen Knoten eingearbeitet. Die Muster sind stark aus dem kaukasischen Raum beeinflusst, wo entweder Gebetsgiebel, Sternmotive, oder „Stammeszeichen“ zum Einsatz kommen. Teilweise kennen die Knüpferinnen deren Bedeutung selber nicht, aber die Zuordnung zu den einzelnen Stammessymbolen aus vorsowjetischer Zeit lässt sich gut dokumentieren.
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Yuntdağ (Google Maps): Im Bergland südlich von Bergama liegt ein kleiner Ort mit primär turkmenischer Bevölkeriung. Hier kommen meist gröber geknüpfte, aber sehr ursprüngliche Teppiche (Abbildung 4) her. Die Musterungen sind ausschließlich geometrisch, seltener Gebetsteppiche. Die Farben sind vor allem in rot und orange Tönen, sowie einem „safran“artigen gelb oder naturbelassener Wolle. Häufig schließt ein Palasgewebe die Fransenseiten ab.
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YağciBedir (Google Maps): YağciBedir ist die Bezeichnung für Teppiche aus dem kleinen Bergbaudorf Sindirgi, wo Tscherkessen und Turkmenen zugewandert sind. Hier werden Teppiche ausschließlich in den Farben rot und Blau und naturbelassener weißer Wolle geknüpft. Das Innenfeld ist in einem charakteristischen indigo-Blau gehalten. Die Yağcibedir sind zumeist feiner geknüpft (ca. 140 000 Knoten/m²)wodurch etwas zierlichere Ornamente möglich sind, wie z. B. Blütenmuster. Die Yağcibedir kommmen meist in den Formaten Ceyrek (90 x 140) und Seccade vor.
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Gördes (alter Name Ghiördes, Google Maps): ist eine Kleinstadt ca. 100 Km nordöstlich von Izr mit ca. 10.000 Einwohner. Das alte Gördes war vom 17. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert eine der bedeutendsten Teppichknüpfzentren in Anatolien. Die Muster und Farbwahl beeinflussten viele Teppichgebiete in Anatolien, aber auch in Nordwest-Iran (Täberis). Auch der türkische Knoten, der von hier in Gördes seinen Ursprung hat. Antike Gördes waren bekannt für ihre vielfältigen Variationen. Die heutigen Gördes haben damit aber leider nichts zu tun. Einerseits sind die sogenannten „Kiz“-Gördes, Brautteppiche, sehr populär. Das Muster geht auf Usak-Vorbilder zurück. Die breite Hauptbordüre zeigt einen Auschnitt aus Rautenmediallions, die im unendlichen Rapport wiederhot werden. Daraus erscheint eine „Zick-Zack“-Musterung in der Bordüre.
Die Gebietsteppiche aus dem Gördesgebiet kommen in 2 Formen vor. Einerseits mit der sogenannten „Sinekli“ (türk. Fliegen)-Musterung in der Bordüre. Andererseits kommen Gebetsteppiche mit säulengestützten Mihrabs vor, die dann auch häufig großflächige Blütenbordüren aufweisen.
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Kula (Google Maps): Die Stadt Kula liegt 100 km östlich von Izmir an der Straße nach Usak und hat ca. 25.000 Einwohner. Heute ist es bekannt dafür, dass neben der Knüpfkunst vor allem auch vulkanische Quellen hier vorhanden sind. Gemeinsam mit Usak, Gördes, Ladik und Bergama gehört Kula mit zu den bedeutendsten Knüpfzentren Anatoliens. Bereits seit dem 17. Jahrhundert aber vor allem im 19. Jahrhundert kamen Teppiche aus Kula auf den Markt. Ein Charakteristikum der Kula Teppiche sind die gedämpft Farben.
Bekannt sind besonders die Gebetsteppiche, die einen geradlinigen Mihrabgiebel haben und die sogenannte „Kömürcu“ (Köhler)- und „Mezarlik“ (Friedhofs)-Kula.
Die Kömurcu-Kulas (Abbildung 5) haben eine besonders düstere Farbgebung. Die Kömürcu Kulas haben oft auch einen etwas „zottig“ wirkenden Flor, der den „düsteren“ Eindruck noch verstärkt.
Es kommen außerdem auch Lebensbaumabstraktionen als Hauptmuster vor. Der Lebensbaum wird in einer Hauptfeldkartusche eingerahmt, die von Nelkenmustern gesäumt werden.
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Usak (Google Maps): Die nördlich von Denizli gelegene Stadt Ushak hat heute 172.000 Einwohner. Die Geschichte der Stadt ist fast 4000 Jahre alt, wobei vor allem die Zeit der Lydierkönige (6. Jhd. Vor Chr.) eine Hochblüte der Stadt darstellte. Das Archäologische Museum der Stadt beinhaltet auch einige Exponate dieser Zeit. Für die Teppichwissenschaft ist Ushak außerordentlich wichtig, da sie über Jahrhunderte eines der wichtigsten und bedeutendsten Teppichzentren Anatoliens darstellte. Noch aus dem 16. Jahrhundert exisitieren Teppichfunde, die in verschiedenen Museen zu besichtigen sind. Ab dem 17. Jahrhundert wurde für verschiedene europäsiche Fürstenhäuser und kirchliche Würdenträger Teppiche erzeugt. Vor allem in Siebenbürgen, wo ab Suleiman I. dem Prächtigen (1495 – 1566), die Osmanen herrschten, wurden für die christlichen Kirchen Teppiche (auch in großen Maßen) hergestellt. Der Legende nach schenkte Suleiman I. dem Patriarchen als Zeichen des Respektes vor dem christlichen Glauben einen Teppich aus Ushak. Dem Patriarchen gefiel der Teppich so sehr, dass er weitere 2000 Teppiche in Ushak in Auftrag geben ließ. Diese Teppiche finden sich in der Teppichliteratur als sogenannte „Siebenbürgen“-Teppiche wieder.
Ushak Teppiche lassen sich nach dem Muster in verschiedene Gruppen unterteilen: Der Stern-Ushak, der Medallion Ushak (Abbildung 6), der „Vogel“-Ushak Teppich (dieser ist weißgrundig und weist in den Feldmotiven Vogelmuster auf), „Tschintamani“-Teppiche (meist in Selendi, einem Vorort von Ushak hergestellt – weisen einen weißen Fond auf und haben in den Mustern meist eine Kombination aus Kugel- und Wolkenbandmustern.) sowie die berühmteste Ushak-Teppich Gattung: der Ushak-Lotto Teppich. Der Lotto-Ushak erhielt seinen Namen aufgrund eines Gemäldes des venezianischen Malers Lorenzo Lotto, der auf einem 1542 geschaffenen Altarbild in der venzianischen Kirche SS Giovanni e Paolo einen Ushak malte. Lotto Teppiche weisen meist einen gelben, blauen oder roten Hintergrund auf. Aus dem treten die achteckigen, kreuzförmigen Ornamente ineinander verschlungen im endlosen Rapport auf. Ursprünglich war die Bordüre sehr schmal, die jedoch im Laufe der Jahre immer breiter wurde.
Ushak Teppiche kamen bei verschiedenen Malern au
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Kütahya (Google Maps): Die Kreisstadt Kütahya liegt zwischen Usak und Eskisehir und hat 2008 202.000 Einwohner. Die antike Stadt Cotyaeum hat eine Geschichte von über 5000 Jahren und wurde von fast allen Titularnationen, die im Laufe dieser Zeit Kleinasien beherrschten besiedelt. Sowohl Hethiter, Phyger, Perser, Mazedonier, die Römer, Byzantiner, Armenier und die Osmanen haben hier residiert. Hauptsächlich ist Kütahya für seine Farbprächtigen Keramiken (Abbildung 7) bekannt. Die Teppiche direkt aus Kütahya sind weniger bedeutsam aber in der Umgebung werden zahlreiche Knüpf- und Webteppiche der Kurden und Yürüken.
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Aydin (Google Maps): Die Bezirkshauptstadt Aydin im Westen der Türkei, liegt in der Nähe des Touristenzentrums Kusadasi (ca.30 km) und den Ausgrabungen von Ephesos (= eine der bedeutendsten Städte des antiken Griechenland). (Abbildung 8, Abbildung 9) Die antike Stadt Tralleis (Abbildung 10) liegt direkt bei Aydin. Die Stadt beheimatet 143.200 Einwohner. Die Knüpfteppichproduktion ist nicht relevant, jedoch kommen, wenn auch nicht in großen Mengen, reizvolle Kelims und „Cecims“ auf den Markt
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Cal: ist ein Dorf, das nordöstlich von Denizli und Pamukkale (ehem. Hierapolis) liegt. Von hier und dem benachbarten Dorf Zeyve kommen Teppiche mit einem auffälligen Muster in den Handel. Die Farbgebung ist zumeist in einem schönen Krapprot als Hauptfarbe im Mittelfeld und einem hellblau/dunkelblau (indigo) in der Bordüre. Sehr oft herrscht auch ein „goldgelber“ Farbton entweder als Sekundarfarbe im Mittelfeld bzw. als Hauptfarbe in einer Bordüre vor. Alte Cal Teppiche, sind zwar etwas gröber als die neuere Produktion, aber durch die Verwendung von ausgezeichneter Bauern- und Nomadenwolle ist der Glanz der alten Teppiche unvergleichlich reizvoller als die der neuen Teppichproduktion. Die Musterung weist einerseits Gebetsteppiche, mit einem freien Gebetsfeld auf, andererseits exisiteren angelehnt an die alten osmanischen Gebetsteppich-Muster, die mit Säulen und Gebetsampeln und Vasen dekoriert wurden.
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Güney (Google Maps): Güney ist eine kleine Ortschaft, die zwar in der Nähe von Cal liegt, doch aufgrund eines Gebirgszuges muß man, um nach Güney zu gelangen, über Denizli und Saraköy das Gebirge umfahren. Die Blütezeit der Knüpfkunst in Güney war während der Regierungszeit des Sultans Abd-ul Medjid (1839 -1865), der während der sogenannten „Tanzimat“-Zeit westliche Einflüsse (vor allem französische) in der Kunst schätzt. Daher wurden in Usak und südlich davon (Güney heißt auf türkisch Süden) Teppiche auf Order des Sultans gefertigt. Sehr häufig findet man in der Musterung florale Elemente und Säulen-Aufbau der Musterungen. Die Teppiche aus Güney zeichnen sich durch besonders zarte Farbgebungen aus (ein zartes hellblau/türkis, oder beige als Grundfarbe und eist ein schönes Krapprot als Hauptmotivfarbe. Die Knüpfung ist mit ca. 150 000 Knoten eher mittelfein. Güney Teppiche sind gefragte Sammlerstücke.
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Dazkiri (Google Maps): Der kleine Ort Dazkiri liegt Nordöstlich von Denizli an der Straße nach Isparta. Hier entstehen in Hausarbeit reizvolle Teppiche, die meist ein dominantes Rhombenmotiv im Hauptfeld aufweisen, manchmal kommen auch Gebetsteppiche auf den Markt. Alte Dazkiri sind sehr selten.
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Megri (griechisch: Makiri, seit 1924 Fethiye) ist der alte Name der Stadt Fethiye (Abbildung 11) an der türkischen Südküste. Die Stadt war bis in die 1930iger Jahre mehrheitlich von Griechen bewohnt – die griechische Insel Rhodos liegt auch direkt gegenüber. Bis in diese Zeit existieren ausgezeichnete Teppiche, die unter dem Namen Megri auf den Markt kommen. Sie kennzeichnen sich durch eine Aufteilung des Innenfeldes bis zu drei getrennten „Längsfelder“, die meist floral gemustert sind. Ebenso sind Gebetsteppiche mit Stufengiebel bekannt. Die leuchtende Farbe dieser meist in bäuerlicher Hausarbeit hergestellten alten Teppiche, machen alte Megri Teppiche sehr beliebt.
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Milas (Melas, Abbildung 12): liegt an der südwestlichn Ägäis-Küste der Türkei, ungefähr auf der Höhe der Insel Kusadasi. Alte Melas Teppiche zählen aufgrund der zumeist angewandten Naturfarben, der eher feineren Knüpfung und den leuchtenden Farben, zu den begehrtesten Teppichen Anatoliens. Alte Melas Teppiche lassen sich in 3 Grundtypen einteilen: dem Gebetsteppich, mit dem charakteristischen eingeschnürtem Mihrab (=Gebetfeld), dem „Ada“-Melas (=Insel Melas), meist aus der Gegend um Karavoa, dessen Feld meist vertikale Polygone zeigt, und dem selteneren Medallion-Melas, der meist auf rotem Untergrund ein goldgelbes Medallion zeigt. Die neuen Melas Teppiche sind leider nicht von so leuchtender Farbkraft, wie die alten Teppiche und sind meist in einem beige-braun und naturbelassener Wolle gehalten.
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Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3
Abbildung 4
Abbildung 5
Abbildung 6
Abbildung 7
Abbildung 8
Abbildung 9
Abbildung 10
Abbildung 11
Abbildung 12